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KONTAKT

Interview mit Prof. Thomas Schlipköther

Die Logistik, Deutschlands drittgrößter Wirtschaftsbereich, kommt nicht zuletzt durch die Pandemie immer mehr im Bewusstsein der Verbraucher an. Die gesamte Branche – vor allem auch die Binnenhäfen – steht jedoch vor einigen Herausforderungen und muss sich für die Zukunft neu aufstellen. Prof. Thomas Schlipköther (ehem. Vorstand der Duisburger Hafen AG, heute Real Estate & Logistics Advisors AG) hat wesentlich zu der positiven Entwicklung des Duisburger Hafens beigetragen. Wir haben mit ihm über die Zukunftsperspektiven von Binnenhäfen gesprochen und erfahren, wie auch kleinere Häfen ihr Potenzial voll ausschöpfen können. 

Herr Prof. Schlipköther, nach fast 22 Jahren im Vorstand des weltweit größten Binnenhafens, dessen Entwicklung Sie maßgeblich mitgeprägt haben, welche Projekte in dieser Zeit bewerten Sie als elementarste für die Entwicklung der Duisburger Hafen AG?

Ich könnte Ihnen jetzt als Beispiel das Leuchtturmprojekt LogPort 1 nennen: der Umbau und die Entwicklung des 268 ha großen Stahlwerkes der damaligen Krupp AG in Duisburg Rheinhausen zu einem großen Logistik Cluster mit heute 3 Terminals und mehreren 1.000 neu geschaffenen, nachhaltigen Arbeitsplätzen. Aber all das wäre nicht möglich gewesen, wenn meine beiden Kollegen und ich damals nicht den Mut gehabt hätten, die „HafAG“, den alten traditionellen Hafenbetreiber, in die heutige „duisport“ AG , den inzwischen international agierenden integrated full service provider, zu transformieren. Uns Beteiligungen an Terminalprojekten in Duisburg, in der Türkei, in China oder auch an Firmen wie der Bohnen Logistik GmbH oder der früheren VTS (Industrieverpackung) zu genehmigen, war ein Zeichen des Vertrauens des Aufsichtsrates in die Leistungsfähigkeit unserer gesamten Mannschaft.

Die Logistik ist ständig in Bewegung, die Digitalisierung eröffnet immer wieder neue Möglichkeiten und insbesondere auch durch die Pandemie kommt ihre Relevanz auch immer mehr im Bewusstsein der Bevölkerung an. Wo sehen Sie die dabei größten Potenziale für Binnenhäfen? 

Vielen Kollegen der Binnenhäfen habe ich versucht, die Digitalisierungsstrategie von duisport zu erklären. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit einer gemeinsamen Strategie erhebliche Potenziale unserer Terminals heben könnten: Slot Management Systeme, TOS, GOS, CMS, Cloud Solutions, booking plattforms, rail- river-road- OCR-gates… Erschreckend ist nur, dass viele Kollegen in der Öffentlichkeit von ihren Träumen berichten, sie dann aber der Mut verlässt, in solche, heute schon ausgetesteten Systeme, auch wirklich zu investieren. Dabei könnten wir die Kapazität unserer Terminals um bis zu 25 % steigern, ohne sie auszubauen oder mehr in Supra-Struktur investieren zum müssen.

Von welchen zukünftigen Entwicklungen können Ihrer Meinung nach auch kleinere Binnenhäfen, wie bspw. der Hafen Trier, profitieren?

Eines ist für mich klar: Deutschland befindet sich – wieder einmal – in einer gesellschaftlich offensichtlich gewollten Umbauphase. Man kann das auch „Strukturwandel“ nennen. Wobei uns letzterer ja gerade im Ruhrgebiet bestens bekannt ist. Duisport hat seit dem Jahr 2000 mehrere solcher Wandel erlebt und durch Anpassung überlebt, aber natürlich auch daraus für die Zukunft gelernt. Was ich aber aktuell sehe, ist die Deindustrialisierung Deutschlands. Wenn dies sich so fortsetzt – und das kann man am Beispiel UK’s sehen – dann werden viele Binnenhäfen ihre Geschäftsmodelle, gerade im Bereich des Umschlages von Massengut, umstellen bzw. anpassen müssen, denn Dienstleistungen muss man nicht umschlagen. Aber der kombinierte Verkehr wird wachsen und damit verbundene logistische Dienstleistungen auch. Uns fehlen nach dem Gutachten von Roland Berger bis zu 50 KV-Terminals alleine in Deutschland, um in 2030 wirklich der Einhaltung der umweltpolitischen Ziele zur Reduzierung des CO2 Ausstoßes näher zu kommen. Und die Binnenhäfen müssen den Mut haben, „strategische“ Sünden der Vergangenheit durch intelligente Strategien für den Umbau ihres Hafens zu beseitigen.

In den letzten Monaten hat der Hafen Trier eine Zukunftsstrategie erarbeitet. Dabei spielt natürlich das Thema Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Zentrales Element in dieser Strategie ist aber auch die Weiterentwicklung der Hafeninfrastruktur. Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach bei der Entwicklung der Infrastruktur nicht nur im Hafen Trier unverzichtbar?

Digitalisierung ist sehr wichtig, weil sie hilft, die eigenen Prozesse noch einmal auf Richtigkeit oder Angemessenheit zu überprüfen. Digitalisierung hilft aber auch, bisher nicht gehobene technische Potentials zu realisieren und sie hilft, infrastrukturelle Unzulänglichkeiten zu identifizieren. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass man die dadurch entstehende „brutale“ Transpa-renz auch will. Das ist in meinen Augen das Hauptproblem weshalb sich die Digitalisierung, von der jeder gerne fabuliert, bis heute nicht wirklich in den Binnenhäfen durchgesetzt hat.